«Kodak war das Facebook meiner Jugend»
Interview: Andreas Güntert
Bild: GfM
Pete Blackshaw, Global Head Digital Marketing und Social Media bei Nestlé. Der Kalifornier sagt, wie man heute Gehör findet beim Konsumenten – und wie ihn eine schlechte Airline-Erfahrung auf eine Start-up-Idee brachte.
Helmut Maucher prägte den Spruch: «Marketing ist Chefsache.» Welchen Stellenwert hat Marketing bei Ihrer täglichen Arbeit?
Absolut einverstanden. Gerade in der heutigen Zeit, in der die Firmenbotschaften über neue Kanäle und Plattformen zu den Kunden gelangen, kommt dem Marketing noch mehr strategische Bedeutung zu. Es ist definitiv Chefsache.
Woran arbeiten Sie aktuell bezüglich Marketing?
Eines der grossen Themen ist natürlich, wie wir angesichts hoher Fragmentierung der Medienlandschaft unseren Content zum Kunden bringen. Welche Rollen sollen Themen wie Virtual und Augmented Reality und 360-Grad-Videos spielen? Das alles darf man nicht nur auf Social Media beschränken, sondern muss auch im Auge haben, welches die relevanten Kanäle im E-Commerce sind. Und man fragt sich natürlich permanent, in welcher Organisationsform wir am besten mit den Konsumenten kommunizieren.
Welches Marketinginstrument ist Ihnen das wichtigste und weshalb?
Die klassischen vier P sind immer noch wichtig. In meinem Fall finde ich das P von Place besonders interessant. Dort, wo Online auf Offline trifft, etwa bei der Benutzung des Mobiltelefons, passieren die spannendsten Dinge.
Welches war Ihr prägendstes «Marketingerlebnis»?
Ich hatte einmal eine sehr schlechte persönliche Erfahrung mit einer Airline. Das war so ums Jahr 1999 herum. Ohne dass ich jetzt die Firma und die Marke nenne, kann ich sagen: Die Enttäuschung war sehr gross. Aber die schlechte Erfahrung hat mich auch sehr beflügelt. Sie führte nämlich dazu, dass ich ein Start-up gründete, das sich mit Konsumentenfeedback beschäftigte. Ich kann also sagen, dass ich die Gründung von PlanetFeedback.com einer schlechten Erfahrung als Konsument zu verdanken habe. Sie brachte mich auch dazu, ein Buch zu schreiben. Es hiess: «Zufriedene Kunden erzählen ihr Erlebnis drei Freunden. Wütende Kunden erzählen es 3000».
Wie orientieren Sie sich über Trends?
Disziplin beim Zuhören hilft immer, in jeder Unterhaltung und in den sozialen Medien sowieso. Immer hilfreich sind Daten zum Onlinesuchverhalten der Leute. Wenn man sich anschaut, wie Konsumenten nach gesunden Produkten suchen, kann einem das eine Vorstellung davon geben, was als Nächstes wichtig wird. Und dann folge ich einigen einflussreichen Bloggern zu Themen wie etwa der Sharing Economy. Eine Vorreiterrolle spielen für mich auch Onlinepublikationen wie Techcrunch oder Recode.
Welches sind für Sie die besten Quellen, um Ihr Marketingwissen laufend à jour zu halten?
Im Austausch mit unseren Marketingleuten und unseren Agenturen lerne ich viel Neues. Und für Innovation in diesem Gebiet ist unser Office im Silicon Valley natürlich sehr wichtig. Was mich darüber hinaus immer sehr interessiert: in welche Start-ups und welche Branchen das Geld von Investoren fliesst. Das kann einem eine Ahnung davon geben, wohin es als Nächstes gehen wird.
Welches ist das spannendste nationale oder internationale Unternehmen bezüglich Marketing?
Apple und Amazon haben wirklich Bemerkenswertes geleistet. Man mag Apple heute vielleicht als nicht mehr so «flashy» wahrnehmen wie zu Zeiten von Steve Jobs. Aber man darf nicht vergessen, wie präsent die Produkte sind, wie vertraut und mobilefreundlich. Und wie sehr Apple die Emotionen der Konsumenten versteht. An Amazon fasziniert mich, wie sich Marke und Firma diversifiziert haben, etwa mit der digitalen Sprachassistentin Alexa.
Welches ist die Marke, mit der Sie am Morgen in der Regel zuerst gerne in Berührung kommen? Und am Abend?
Am Morgen hat mein Fitbit-Band meine Aufmerksamkeit. Ich checke meine Schlafdaten. Am Abend ist es oft Netflix.
Welches waren die drei Markenikonen in Ihrer Kindheit und Ihrer Jugend?
Als Jugendlicher hatten Sportmarken wie die Los Angeles Dodgers oder die Los Angeles Lakers meine fanatische Brand-Loyalität. Aber da war noch etwas anderes: Mein Vater war ein Hobbyfotograf und -filmer. Bei all unseren Familienfotos und -filmen spielte Kodak eine Rolle. Praktisch jede festgehaltene Erinnerung war mit Kodak verknüpft. Man kann sagen, dass Kodak das Facebook meiner Jugend war.
Viele Chefs wollen von ihren Marketingleuten wissen, wie man die Wirkung von Social Media richtig misst. Ist es die Zahl der Follower, das Engagement, oder ist es die Zahl der Monate, die man ohne Shitstorm überstanden hat? Welches sind in Ihren Augen die wirklich wichtigen Key-Performance-Indicators?
Bevor man messen will, muss man wissen, was das Ziel ist. Das kann sich je nach Fall ganz anders gestalten. Wenn man aus einer Krise hinausfinden möchte, ist wohl die Geschwindigkeit, mit der man auf Angriffe reagieren kann, entscheidend. In anderen Situationen ist das Engagement – also wie sehr Botschaften geteilt, gelikt und kommentiert werden – wichtiger. Man muss aufpassen, dass man einzelne Messgrössen nicht isoliert und als alleinige Wahrheit ansieht. Das hängt immer davon ab, was man will: Reichweite oder Konversion? Will man die Verbreitung negativer News verlangsamen oder den Speed positiver News erhöhen? Wer etwas messen will, muss zuerst wissen, was man überhaupt erreichen will. Daraus lassen sich dann auch Messmetriken ableiten.