Ludwig Hasler: Was kann so ein Roboter mit sich anfangen?

Ludwig Hasler ist Publizist und Philosoph.

Der Mensch darf einnicken, die Elektronik übernimmt. Sie verschont uns sogar vor dem Schnarchen. Soeben in Las Vegas vorgestellt: Sensoren an der Matratze hören mit, und kaum beginnt die sägende Tortur, heben sie automatisch das Kopfkissen – wir atmen toll durch, erneut von einer Menschheitsplage befreit.

Die Welt wird stets smarter, Chips und Fühler überall. Die Sensortechnik, ein Göttergeschenk – wäre da nicht die Angst, sie wachse uns Menschen bald über den Kopf, das digitale Dienstmädchen entpuppe sich alsbald als Hausdrache mit überlegener künstlicher Intelligenz, der sich die Menschen als Haustiere hält.

So ein Schnarch-Sensor ist natürlich ein Witz. Grosso modo erleben wir, wie die Maschine erwachsen wird: Sie organisiert, steuert, repariert sich selbst. Sie lernt von sich aus, entwickelt sich weiter. Sie ist schon heute ein Tausendsassa, löst Probleme im Handumdrehen, mit gigantischen Datenmengen kann sie alles Erdenkliche anfangen, schneller, zuverlässiger als irgendein Mensch. Oje.

Aber jetzt mal die Frage: Kann sie auch mit sich etwas anfangen? Hatte es der Roboter schon mal schwer mit sich? Oder lustig? Hat er ein Alter? Geschlecht? Schon mal abgestürzt? Weiss er, dass er bald entsorgt wird? Zum Schnarchen kommt er eh nicht, da er schon nicht weiss, wie Atmen geht. Als Blechkiste ist er perfekt, er hat, was er braucht, er begehrt nichts, was er nicht hat, ein praktisches Ding ohne Albträume und Sehnsüchte. Probleme? Kennt er nicht. Vermutlich ist ihm alles göttlich egal.

Müssen wir ein Ding fürchten, dem alles egal ist? O ja – falls wir ihm Macht geben. Von sich aus aber hat er nichts vor. Seine «Überlegungen» bleiben Rechenoperationen, algorithmische Mittel zu beliebigen Zwecken. Da ihm der Körper fehlt, hat er auch weder Willen noch Leidenschaft, noch Aggression. Wille und Leidenschaft entspringen dem Unbehagen oder der Lust, beide sind was sehr anderes als Rechenoperationen, nämlich Turbulenzen in Fleisch und Blut.

Mich erinnern Roboter in ihrer kühlen Perfektheit an Signor Fosca in Simone de Beauvoirs Roman «Tous les hommes sont mortels». Fosca kriegte mal ein Lebenselixier, wird prompt unsterblich – und kann von da an nicht mehr lieben, nicht hassen, nicht träumen, nicht verzweifeln. Da ihm sowieso nichts passieren kann, verliert der Augenblick jede Spannkraft, jede Bedeutung. Für den, der nicht gefährdet ist, verliert alles seinen Sinn. Keine Tapferkeit und keine Feigheit hat Gewicht, keine Leistung und kein Versagen. Nichts gilt ihm ernst – angesichts seiner Unverletzlichkeit. Er riskiert ja nichts, er wagt nichts, er setzt nichts ein, er gibt nichts von sich hin. Fosca endet im Stumpfsinn. Der Roman endet mit den Sätzen: «Ich hatte nichts zu hoffen. Ich konnte mein Leben nicht einsetzen, ich konnte nicht lachen, nie waren Tränen in meinen Augen, nie Feuer im Herzen. Ein Geschöpf von nirgendwoher, ohne Vergangenheit, ohne Zukunft, ohne Gegenwart. Ich wollte nichts. Ich war niemand.»

Etwa so könnte es im Roboter drinnen aussehen. Nur dass ihm auch das egal bleibt. Er weiss ja nichts davon.

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